Am Puls der Zeit bleiben - WAALTeR in "Gesunde Stadt"

05.07.2018

Besonders für Menschen im fortgeschrittenen Alter ist es wichtig, mit der Außenwelt verbunden zu bleiben. Digitale Tools wie WAALTeR und Computerkurse der Wiener Volkshochschulen unterstützen.

Susanne Biri ist 63 Jahre alt, Rudolf Tuppa 76. Beide entstammen einer Generation, die ohne Mobiltelefone, Internet oder Tablets heranwuchs. Dennoch nutzen beide heute die neuesten Technologien gerne, um sich zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen oder Informationen zu sammeln. Eine Hemmschwelle, sich mit Apps & Co zu befassen, musste dabei allerdings überwunden werden – doch der Nutzen war klar, die Neugierde groß. „Als ich vom Forschungsprojekt WAALTeR erfuhr, war der Wunsch sofort da, Teil davon zu werden“, erzählt Susanne Biri. Rudolf Tuppa hielt es ähnlich. Schließlich ging es hier um eine Technologie, die auf einem Tablet und einer damit kommunizierenden Smart-Uhr basiert und vielversprechend klingt. „Und wie wir in den Einschulungen Anfang des Jahres erfahren haben, ist sie auch einfach zu verstehen“, sagt Biri. Routenplaner, Blutdruck- und Schrittmesser sowie die Erinnerung an Medikamenteneinnahme sind einige der Möglichkeiten, die WAALTeR und seine integrierten, vernetzten Apps bieten. „Über einen Notrufknopf an der Uhr bzw. einen Sturzerkennungsmelder können Rettungskräfte notfalls rasch lebensrettende Maßnahmen setzen – die Aufenthaltsortung gibt die entscheidenden Daten, wo sich die oder der Verletzte befindet, durch.

Ohne Vorkenntnisse. Ein übersichtlich gestalteter Veranstaltungskalender und die Kommunikationsplattform „FragNebenan“, die Hilfsangebote aus der Nachbarschaft auflistet bzw. in der nach Unterstützung bei Alltagsaufgaben gesucht werden kann, sind ebenso vorhanden. „Ältere Menschen stehen einer Digitalisierung oft skeptisch gegenüber. Man kann sie aber dafür begeistern, wenn alle Funktionen ohne Vorkenntnisse zu bedienen sind“, sagt Projektleiterin Julia Sauskojus von Urban Innovation Vienna, einem Unternehmen der Wien Holding. WAALTeR steht für „Wiener Active and Assisted Living Testregion“. Das bedeutet, dass in der Stadt ein Pool aus älteren Menschen mit dem neuen AAL-System (Altersgerechte Assistenzsysteme für ein aktives, unabhängiges Leben) ausgestattet wurde. Die TeilnehmerInnen können bis Ende 2019 testen, ob ihre Bedürfnisse ausreichend abgedeckt, Anforderungen sowie Ansprüche erfüllt werden. „Bei WAALTeR geht es darum, durch einfache TechnologieUnterstützung den Alltag von Seniorinnen und Senioren, die Aktivität und Mobilität, den sozialen Austausch, die Sicherheit und Gesundheit zu verbessern – und somit insgesamt die Lebensqualität im Alter zu steigern“, sagt Sauskojus’ Projektpartner Bernhard Rupp, Public-Health-Professor u. a. an der MedUni Wien. TeilnehmerInnen für dieses Forschungsprojekt werden übrigens nicht mehr gesucht, da die Testung bereits im Laufen ist. Rupp: „Man kann aber die WAALTeR-Musterwohnung besichtigen und alle Technologien dort ausprobieren – jeden letzten Freitag im Monat ist Tag der offenen Tür.“

Im richtigen Tempo lernen. Immer am Puls der Zeit zu bleiben, ist auch für Hermine und Otto Kaiser, beide bereits über 80, Thema. Sie möchten mit ihren Enkelkindern einfach kommunizieren können und die Vorteile der Digitalisierung, von Handy, sozialen Netzwerken, Suchprogrammen oder E-Mail nutzen. „Eine Herausforderung“, sagt Hermine Kaiser. „Mein Mann ist nicht gut zu Fuß, ich leide unter Alterszittern und sehe nicht mehr gut.“ Dennoch haben sich die beiden dazu entschieden, einen Computerkurs an den Wiener Volkshochschulen (VHS) zu besuchen. Einen, der speziell auf die Bedürfnisse von älteren Menschen eingeht. „Fordern, aber nicht überfordern. Das Wichtige im richtigen Tempo zu erklären, Funktionen wie Sprachsteuerung und die Möglichkeit einer Schriftvergrößerung am Bildschirm aufzuzeigen, sind entscheidend“, sagt Herbert Schweiger, VHS-Geschäftsführer.

Computerkurse. Darüber hinaus finden die Kurse in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter statt, womit die Schambarriere, zur „alten Generation“ zu gehören, sinkt. Ebenfalls wichtig: dass die Kurse barrierefrei erreicht werden können. „Daran arbeiten wir, in alle Richtungen“, sagt Schweiger. So wird ab Herbst auch die Möglichkeit geboten, von zu Hause aus an Kursen teilzunehmen – sollte es der Gesundheitszustand anders nicht erlauben. Schweiger: „Natürlich werden alle, die den Service nutzen möchten, von uns gut eingeschult.“ Sollte doch einmal was nicht funktionieren, bieten sowohl WAALTeR als auch die VHS eigene Hotlines zur Unterstützung an. „Ich habe selbst einen 87-jährigen Vater. Ein Seniorenhandy ist für ihn keine Lösung. Aber mit Siri und Alexa kann er ganz gut“, sagt Schweiger. Wie das Wetter heute ist, Hörbücher, Musik oder das Fernsehprogramm – sprachgesteuerte Tools rücken für ihn die Außenwelt wieder näher, direkt ins Eigenheim. Schweiger: „Wir erklären, wie das leicht funktioniert.“

Sprachsteuerung. Die Industrie ist stark gefragt. So wie es heute in Autos automatische Einparkhilfen, Servolenkung und ABS gibt, müssen auch andere technische Geräte entsprechend ausgestattet werden. Denn auch ein junger Mensch, der schlecht sieht, blind oder auf andere Weise eingeschränkt ist, hat ein Anrecht auf Selbstbestimmung. „Sprachsteuerung, Bewegungsscanner: Alles gibt es schon. Auch hier ist das Motto Vernetzung“, sind sich Rupp und Schweiger einig.

 

Interview mit Bernhard Rupp, Projektpartnert WAALTeR und Public-Health-Professor u. a. an der MedUni Wien

Was wird WAALTeR können, wenn die Testphase abgeschlossen ist?

Das ist ein laufender Prozess. Die Erfahrungen und Meinungen der Testteilnehmenden fließen laufend in die Weiterentwicklung ein. Wichtig ist aber, dass es bei der Technologie auch Interaktion zwischen den älteren Menschen geben muss. Es ist natürlich fein, dass das Gerät via Bluetooth Gesundheitsdaten an die Hausärztin oder den Hausarzt übertragen kann, aber wenn in Folge die Pensionistin oder der Pensionist noch seltener ihr bzw. sein Haus verlässt, steigt das Risiko der Vereinsamung. Daher hat WAALTeR viele Kommunikationsplattformen wie etwa „FragNebenan“.

Warum stehen gerade ältere Menschen einer Digitalisierung oft skeptisch gegenüber?

Ein Beispiel: Fernseher mit ihren Zusatzgeräten wie Boxen usw. sind heutzutage vielfach nur mit mehreren Bedienungen zu steuern, um Zugriff auf alle Funktionen zu haben. Ich denke, da ist nicht nur der ältere Mensch überfordert. Es gilt, diese Dinge zu vereinfachen, auf Sprachsteuerung zu setzen und Vorteile aufzuzeigen. Da ist die Industrie sicherlich gefragt.

Hat WAALTeR in seiner Testphase schon zu Erfolgen geführt?

Gerade in den vergangenen Wochen konnte über den Notrufknopf zwei Testerinnen geholfen werden. Die Rettungskette hat einwandfrei funktioniert. Nach 15 Minuten waren die Einsatzkräfte vor Ort.

Sind die Teilnehmenden vernetzt?

Es finden für alle 90 teilnehmenden Haushalte regelmäßig Treffen statt.

 

WAALTeR: Telefon 0677/625 672 03 beim Projektpartner Fonds Soziales Wien

WAALTeR-Musterwohnung: Anmeldetelefon: 01/470 70 30-2222, Johanniter Residenz Schichtgründe, Satzingerweg 62/37; 1210 Wien 

VHS: Telefon 01/893 00 83, www.vhs.at

Text: Stefanie Tobeitz, Foto: Bohmann/Andrew Rinkhey, den Link zum Magazin Gesunde Stadt finden Sie hier

 

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